Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 14

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 14

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 14

# Jubiläum250

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 14

Die katholische Schule von den Anfängen 1803 bis zur Auflösung 1939 

Als Pfarrer Wendelin Zink 1803 die Missionsstation übernahm, versammelte er die Kinder der Gemeinde in dem kleinen Küsterhaus auf dem Hof, später in seiner Wohnung, um ihnen Religionsunterricht zu erteilen. Den Unterricht in den anderen Wissenszweigen überließ er zunächst einem ausgedienten Soldaten aus Brabant, welcher nicht im geringsten Schulkenntnisse besaß. Weder rechnen noch kaum leserlich schreiben konnte er und von der deutschen Sprache verstand er kein Jota. Später übernahm der Küster Jansen, nach seinem Tod seine Witwe, die gleichzeitig die Haushälterin des Pfarrers war, den Unterricht, danach Handwerker, die sich etwas dazuverdienen wollten. Erst 1833 kam ein ordentlich ausgebildeter Lehrer nach Stralsund. Nach sechs Jahren musste er allerdings wieder entlassen werden, weil er ein Mann von beschränkten Kenntnissen war, dessen sittlicher Wandel …. sich späterhin als zweideutig darstellte.… 

Nun erteilte Pfarrer Zink den gesamten Unterricht, unterstützt von der Küsterfrau, die den ganz kleinen Mädchen das Buchstabieren und Lesen sowie Handarbeiten beibrachte. Damals besuchten 22 Schüler die Schule. Die meisten waren Mädchen im Alter von 4 -12 Jahren und 7 Jungen, wovon der älteste 13 Jahre alt war. 

Die Verhältnisse in den ersten Jahren schienen nicht gerade günstig gewesen zu sein. Pfarrer Zink fühlte sich infolge seines Alters oft überfordert und bat dringend um eine weitere Lehrkraft. Da die Bezahlung jedoch sehr gering war, hat er kaum Hoffnung, dass sich etwas zum Guten ändern würde. In einem Schreiben der Königlich - Preußischen Regierung hieß es:

„Das Schulwesen der hiesigen katholischen Gemeinde fordert in manchen Beziehungen eine größere obrigkeitliche Einwirkung, namentlich auch eine fortwährende strengere Beaufsichtigung als es bisher gehabt hat, besonders auch schon deshalb, weil wie wir vernommen haben, die Kinder mancher evangelischen Eltern an dieser Schule teilnehmen.“

Da die Räumlichkeiten viel zu klein waren und die Anzahl der Schüler auf 30 angewachsen war, fasste der Nachfolger von Pfarrer Zink, Pfarrer Theodor Rassmann, den Plan, das neben der Kirche stehende Bürgerhaus zu erwerben, um dort ein Schul - und Waisenhaus, verbunden mit einer Kommunikantenanstalt einzurichten. Das Haus war nicht nur für die Stralsunder Kinder gedacht, sondern betraf den ganzen vorpommerschen Bereich und die Insel Rügen, für die der Stralsunder Missionspfarrer zuständig war. 

Dies war zwar sehr lobenswert, aber kein leichtes Unternehmen, denn schon wie beim Ankauf von Land für den Friedhof, so fehlte auch jetzt wieder das Geld. Auf einen Antrag an die Fürstbischöfliche Delegatur in Berlin um Genehmigung, ein Haus anzukaufen, erwiderte der Bischöfliche Delegat, es stehe dem Ankauf nichts im Wege, sofern die erforderlichen Mittel vorhanden seien und das Kirchenvermögen nicht belastet werde. Doch Pfarrer Rassmann ließ sich nicht entmutigen. Er wandte sich an seine zahlreichen Freunde in Schlesien. Einem Pfarrer schickte er sogar als Anreiz für eine Spende zum Namenstag Pommerns frische Aale. 

Er richtete seine Bitte an alle Bischöfe Deutschlands, an die Könige von Bayern und Sachsen, ja sogar an den österreichischen Kaiser Ferdinand I. 

In seinem Brief schrieb er unter anderem: „Mit bangem Herzen wage ich es, mich dem Throne Eurer Kaiserlichen Majestät zu nähern, und zu den Füßen desselben eine Bitte niederzulegen, die das Wohl der kleinen katholischen Gemeinde zu Stralsund in Neu-Vorpommern im Königreich Preußen betrifft, …. Es ist mein sehnlichster Wunsch, ein Schulhaus, welches zugleich Wohnungen für Waisenkinder enthielte, beschafft zu wissen… „ Er bat dann den Kaiser, er möge eine Kollekte bei den katholischen Untertanen in seinem Land gewähren. 

Der Brief endete: „In tiefster Ehrfurcht ersterbe ich als Eure Kaiserlich-Königlichen Majestät Allunterthänigster Rassmann, Missionspfarrer.“ Und er schien das Herz des Kaisers gerührt zu haben, denn dieser übersandte ihm aus seiner Privatschatulle 100 Gulden. 

Am 12. Oktober 1846 war es dann endlich so weit. Die katholische Kirche in Stralsund kaufte das Grundstück Frankenstraße 39 für 9600 Reichsthaler. Doch dieses Haus war wahrscheinlich nie als Schulhaus genutzt worden, weil die Gemeinde zum Zeitpunkt des Ankaufs nur einen Teil der Kaufsumme zur Verfügung hatte. Das fehlende Geld war als Kredit bei einer Bank in Stettin aufgenommen worden. Die Bitte des Pfarrers an den Fürstbischof Kardinal Freiherr von Diepenbrock in Breslau, eine Bürgschaftsleistung zu übernehmen, lehnte dieser ab. 

Man solle das Kirchenvermögen verpfänden oder das Haus wieder verkaufen. Also bestand das Gebäude weiterhin als Mietshaus. Im Patteren wohnten 1849 eine Frau von Corswandt und der Schiffer Schuhmacher. In der ganzen Belle Etage besaß der Gutsbesitzer Hecht eine Wohnung, bestehend aus neun Zimmern und einem großen Saal. Über der ersten Etage lagen bis zur Erweiterung des Hauses drei Böden. Auf dem Hof befanden sich mehrere Pferdeställe.

In den Jahren 1866/67 wurden Schulräume im Hintergebäude des Hauses Frankenstraße 39 erwähnt. 1889 erhielt die Katholische Sozietätsschule von der Stadt die Zuweisung eines Schulzimmers in der Mühlenstraße 25. Durch den Zuzug von Beamten und Arbeitern, die vor allem in der Zuckerfabrik arbeiteten, war die Anzahl der Kinder auf 89 gestiegen. Deshalb bat die Katholische Gemeinde um ein zweites Schulzimmer. Auch die Einstellung eines zweiten Lehrers war dringend erforderlich. Über viele Jahrzehnte unterrichtete immer nur ein Lehrer die Schüler. Er war gleichzeitig Küster und Organist. Erst Ende des 19. Jahrhunderts kam eine zweite Lehrkraft, eine Lehrerin, an die Schule. Unter der Bevölkerung hatte die Schule den Ruf einer Armenschule, denn vermutlich lagen die Klassenzimmer in der Stadtmauer hinter dem Haus an der Straße. Die Räume waren dunkel, unhygienisch und die Ausstattung an Mobiliar und Lehrmitteln war schlecht. 

1908 wurde die Katholische Sozietätsschule in den Verband der kommunalen Volksschulen übernommen. Dies geschah auf Grund des Volksschulunterhaltungs-gesetzes vom 28. Juni 1906. Diese Maßnahme brachte der Katholischen Gemeinde große finanzielle   Vorteile, denn die Stadt übernahm die Schule und die Lehrkräfte in den städtischen Etat. Schließlich verbesserte sich auch die Raumsituation. Im Jahre 1912 erhielt der Pfarrer Wahl vom Magistrat die Genehmigung, die Schule in das Haus Frankenwall 7 zu verlegen. 

Die Pfarrgemeinde schloss mit der Stadt einen Vertrag über drei Schulzimmer, ein Amtszimmer für die Schulleitung und den Schul - und Turnhof auf unbestimmte Zeit. Der Einzug in das neue Schulgebäude erfolgte am 1. Dezember 1912. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten waren den Machthabern des Dritten Reichs die Bekenntnisschulen ein Dorn im Auge. 1936 erschien in der Zeitschrift „Der Gemeindetag“ ein Artikel über die Auflösung der konfessionellen Schulen und die Einrichtung von Volksschulen für Kinder aller Bekenntnisse. Die Trennung der deutschen Jugend nach Bekenntnissen wurde als unheilvoll angesehen. Auch das „Stralsunder Tageblatt“ schrieb 1937: Konfessionelle Schulen haben im nationalsozialistischen Deutschland keine Daseinsberechtigung. Schulen im heutigen Deutschland müssen ausgesprochene nationalsozialistische Weltanschauungsschulen sein. Jeglicher Protest von Seiten des Erzpriesters Radek, auch der Hinweis auf das Konkordat vom 20.Juli 1933, in dem die Beibehaltung und Neueinrichtung von Bekenntnisschulen gewährleistet bleibt, war nutzlos. Am 20. September 1938 beschloss die öffentliche Sitzung der Gemeinderäte die Neueinrichtung von Gemeinschaftsschulen und die Aufhebung der katholischen Schule. Dem folgte ein Schreiben des Regierungspräsidenten in Stettin, in dem er die katholische Volksschule mit Wirkung vom 1. April 1939 aufhob.

Felicitas Knoppke: In Gedenken an Frau Felicitas Knoppke: Aus dem Gemeindearchiv; verstorben 2024
überarbeitet von Roland Steinfurth
Korrektur Wolfgang Vogt
Gemeinde Hl. Dreifaltigkeit Stralsund

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